Das erste mal hatte ich mit 17 Jahren die Möglichkeit an der Wüste zu schnuppern. Während einer Mittelmeerkreuzfahrt ein 3-tägigen Stop in Alexandria, Kairo war natürlich ein muß.
In die Pyramiden hatte ich mich sofort verliebt, in die Kamele weniger. Wacklige Geschichte zum einen und dann die typische Touri-Tour durchs Dorf, aber bitte mit Bakschisch.
Als mich Freunde 1989 drängten mit auf den Sinai zum Schnorcheln zu fahren wollte ich erst nicht. Aber mit viel Überredungskunst und dem Versprechen auf dem Hin- und Rückweg bei den Pyramiden vorbei zu schauen haben sie es dann doch geschafft.
Ankunft in Kairo, Hotel suchen und dann gleich zu den Pyramiden.
Sie waren noch genauso imposant wie 14 Jahre vorher. Nur noch mehr Touristen.
Es war schon später Nachmittag als uns hinter der Cheops-Pyramide ein in schwarz gehüllten Reiter auf einem Kamel entgegen kam. Es sah phantastisch aus. Aber meine Erfahrung mit Kamelen hatte ich ja schon, ich brauchte das wirklich nicht noch mal. Gerd ließ keine Ruhe......
Wie auch immer, der Reiter hatte ruck zuck einen Begleiter, der kam auch gleich mit 3 Kamelen an und los ging es.
Es war Wahnsinn. Wir ritten, abseits vom Trubel, weg von den Pyramiden, in Richtung Wüste, direkt auf den Sonnenuntergang zu. Kein Schaukeln hat mehr gestört, kein Lärm war mehr zu hören, unendliches Nichts, ich hätte ewig weiter reiten können.
Da ist er entstanden, der Wunsch: nur mit Kamelen in die Wüste.
Es hat aber noch weitere 10 Jahre gedauert bis mir klar wurde, wenn ich nicht langsam anfange den Traum zu realisieren wird es nichts mehr. Im Juli 1998 ging die Suche los. 2-3 Tage Touren in Verbindung mit Hotelurlaub wäre einfach gewesen. Aber ich wollte was anderes. Ich wollte nicht nur schnuppern, ich wollte Wüste pur. Über ein Reisebüro in Osnabrück (lach ich wohne in Mannheim) habe ich eine 15tägige Tour – Trekkingkarawane - mit Kamelen durch Dünen und Wüstenberge – gefunden.
Es war Wahnsinn. Unendliche Weite, Ruhe, wie man sie sonst nirgends erleben kann. Wenn ich auf einem Kamel sitze und mich durch die Wüste schaukeln lasse erscheint mir das Leben so einfach, Wünsche werden auf ein Minimum reduziert.
Das Sternenzelt ist der schönste Schlafplatz und soviel Wünsche gibt es nicht, wie Sternschnuppen durch die Nacht jagten.
Die erste Woche nur Sand und das in Form von wunderschönen Dünen. Außer unsere Gruppe war kein Mensch zu sehen, wir sind nur immer wieder auf schlecht aufgeräumte Lagerplätze gestoßen.
Die Unvernunft der Menschen macht auch vor der Wüste nicht halt.
In der zweiten Woche ging es dann in die Berge. Vielleicht ist der Februar nicht der beste Monat dafür. Es war kalt, sehr windig und ständig kurz vorm regnen.
Da wir unsere Wasserration ständig mit den Kamelen transportieren mußten war waschen verpönt. Wer wollte bekam Morgens ein Becher Wasser. Ich habe es schnell aufgegeben. Sand tut es auch und Zähne putzen geht auch trocken. Wer sich wirklich auf die Wüste einlassen kann wird schnell sehr anspruchslos und nichts mehr ist selbstverständlich.
Die Tour hat mich aber nicht gesättigt, es war Wüste pur, schon, aber es gab jeden Tag frischen Salat und das paßt dann doch nicht so richtig zu meiner Vorstellung von Wüste. Ich wollte die Sahara noch anders, noch direkter, noch einfacher.
Da kam mir eine Sendung im WDR genau richtig. "der letzte Nomade aus Köln". Carlo ist seit 15 Jahren mit Kamelen alleine in der Sahara unterwegs. Er schreibt für Geo und hat natürlich unendlich viele Bilder aus der Wüste die er auch verkauft. In dem Bericht wurde gesagt, daß er gelegentlich Touristen mitnimmt. Also habe ich sofort beim WDR angerufen und bekam eine Postfachadresse. Er hat mir auch sofort geantwortet und wir haben uns getroffen und gleich alles für Dezember klar gemacht. Treffpunkt war ein Hotel in Kairo. Am 4.12.1999 ging es los. Ich kam mitten in der Nacht mit 3 Stunden Verspätung an. Gleich am nächsten Morgen Großeinkauf: 5 kg Sesamstangen, 5 kg getrocknetes Brot, 4 kg Datteln Thunfisch usw.. Erbswurst und Eisteepulver hatte ich aus Deutschland mitgebracht.
Am nächsten Morgen mit dem Bus bis 80 km vor Dachla. Am späten Nachmittag waren wir dann in einem kleinen Dorf, Carlos Wohnort wenn er nicht in der Wüste oder in Deutschland unterwegs ist. Es gab noch einiges vorzubereiten. Taschen mußten noch geflickt werden, die ganzen Vorräte mußten verstaut werden. Mein eh weniges Gepäck mußte ich um die Hälfte reduzieren. Für zwei Personen hatten wir 4 Kamele und die waren komplett mit Vorräte, Kamelfutter und unendlichen Mengen an Wasser beladen.
Ich war viel zu aufgeregt und neugierig als das mir zu diesem Zeitpunkt aufgefallen wäre, daß selbst wenn ich hätte reiten dürfen es nicht möglich gewesen wäre.
Ich war sehr "blauäugig", ich wußte nicht daß ich nicht reiten darf, ich wußte nichts von den nichtendenden Tagestouren, ich wußte nicht wie anstrengend es wird, ich wollte nur als Nichttourist in die Wüste.
Jeden Morgen vor Sonnenaufgang wurde ich geweckt. Carlo war schon mit dem Frühstück fertig, da hatte ich noch nicht mal eine Tasse Kaffee getrunken. Wir sind bis Mittags gelaufen, dann einen Rastplatz gesucht, haben mehr oder weniger 2 Stunden ausgeruht und sind dann bis auf wenige Ausnahmen bis zum Sonnenuntergang weiter gelaufen. Nicht nur meine Füße waren schon am zweiten Tag kaputt, auch mit meine Nerven war ich am Ende. Carlo war sehr anstrengend. Um mit ihm mitzuhalten hätte ich rennen müssen. Es war nicht die Ruhe die ich in der Wüste sehe und suchte. Es hieß ständig weiter, weiter, auf der Suche nach etwas, was er mir noch nicht mal verraten hat. Manchmal hat er mich dann freudig am Abendlager, wenn ich ½ Stunde später oder mehr ankam, mit den Worten empfangen: wir haben es geschafft, Marathonstrecke. Das sind ca. 42 km, er sprach dann aber von Luftlinie.
Es gab kein Baum, kein Strauch, kein Schatten. Und es war wesentlich wärmer als im Februar. Ich war täglich an meinen Grenzen, manchmal eher drüber. Unsere Route war so gelegt, daß wir am achten Tag an eine Stelle kamen, wo uns Wasser und Futter für die Tiere gebracht wurde. Vom ersten Tag na hatte ich mir schon überlegt, ob ich mit dem Wagen zurück fahren soll. Am 4. Tag war ich mir dann sicher, ich sagte Carlo, daß ich mit dem Auto in drei Tagen zurückfahre. Er war ganz erstaunt, konnte es nicht verstehen. Nur weil ich nicht so schnell laufen kann und ein paar Blasen am Fuß sind kein Grund aufzugeben, sagte er. Ich soll die Geschwindigkeit vorgeben, wir machen öfter Pause und dann schaffen wir das schon.
Das ging dann auch ganz gut, bis das Auto da und dann wieder weg war. Dann war alles beim Alten. Das highlight kam am letzten Sonntag. Wir hatten noch 3,5 Tage, Donnerstag im Laufe des Vormittags wollten wir zurück sein. Er fragte mich, ob ich die kürzere Strecke (95km) oder die Längere (125) zurücklaufen wollte. Wohl gemerkt Luftlinie! Ich erklärte ihm, daß 95 doch ok wären. Vielleicht könnten wir dann mal so Rast machen, daß ich mal einen Sonnenuntergang genießen kann. Er sagte nur, daß er nicht verstehen kann, daß ich nicht mehr laufen will (!!!!!). Als es dann am nächsten Morgen noch früher als gewöhnlich durch die Wüste schreit: Ellen aufstehen, mach mal schneller, du bist morgens immer so langsam ahnte ich schon Schlimmes. Ich schaute mich um, es war noch nicht mal zu erkenne wo die Sonne aufgehen wird. Ich fragte was denn los sei. Die Antwort war erschreckend: wir haben noch 125 km vor uns also los.
Eigentlich war klar, daß ich an dieser Entscheidung nichts mehr ändern konnte, trotzdem die erschrockene Frage warum 125 km? Ich wollte doch nur noch 95 km. Die Antwort kam prompt, ohne Überlegung: glaubst du nicht, daß Kolumbus auch mal seine Mannschaft gefragt hat und dann doch gemacht hat was er wollte? Ich war entsetzt, es gab aber keine andere Möglichkeit, also Mund zu und durch.
Diese Tour war das Anstrengendste was ich je erlebt habe und trotzdem wollte ich es nicht missen. Ich habe Sachen gesehen, die ich sonst nie gesehen hätte. Uralte Lagerstätten und Gräber; Krüge, die vom Wind schon so zernagt waren daß sie kaum zu finden waren, aber über Jahrtausende von keinem Menschen gesehen wurden; Werkzeuge aus der Steinzeit; Inschriften und Zeichnungen in Felsen, die klar erkennen lassen, daß es andere Zeiten in dieser Gegend gab und gerade diese letzte längere Strecke hat uns zu Hügeln geführt, wo jeder eine andere Farbe hatte. Dunkelstes Rot, kitschiges Rosa, tiefes Schwarz, je nachdem welche Felsschicht gerade abgetragen war. Es war so phantastisch, daß selbst Carlo nur am photographieren war.
Ja, es war anstrengend, hat mir auch meine Grenzen gezeigt und trotzdem wird die Sahara immer wieder ein Ort meiner Wünsche bleiben. Vielleicht nicht unbedingt so anstrengend, aber wenn es sein muß auch dann.
Libyen, Algerien, Niger und Mali. Für jeden Tip einer interessanten Tour bin ich dankbar.